Vor 15.149 Zuschauern im schneebedeckten Friedengrund tauschten HSV-Kapitän und Nationalspieler Uwe Seeler und FC 08-Kapitän Robert Nies vor dem DFB-Pokalspiel die Vereinswimpel aus.
Quelle / Copyright: Archiv FC 08 Villingen / Herbert Schroff
Von Michael Eich
Und hier öffnet sich das 1. Fenster zum FC 08-Retro-Adventskalender, der euch bis Heiligabend mit einigen Highlights aus unserer 112-jährigen Geschichte v.a. auf Facebook begleiten wird. Auftakt bildet das „Rekordspiel“ der Vereinsgeschichte des FC 08 Villingen. Sage und schreibe 15.149 Zuschauer strömten am 4. Januar 1970, vor nun mehr als 50 Jahren, ins picke packe volle Friedengrund-Stadion, um das Erstrundenspiel im DFB-Pokal zwischen dem Underdog „Nullacht“ und dem großen Hamburger SV, u.a. mit Nationalspieler Uwe Seeler, zu verfolgen.
Wie am heutigen 1. Dezember lag auch damals Schnee – was es für den FC 08 nicht einfach machte, die Platz einigermaßen bespielbar zu machen.
Dass das Spiel gegen den HSV einen Ansturm auslösen würde, zeichnete sich bereits im Vorfeld ab. Generalstabsmäßig hatte die Vereinsspitze des FC 08 die Top-Begegnung, die wochenlang Stadtgespräch war, vorbereitet. Über 300 Vereine zwischen Konstanz und dem Nordschwarzwald schrieben die Nullachter an, daneben bekundeten unzählige Fußballfans aus der Schweiz, aus Stuttgart und auch aus Hamburg Interesse. Von den Vorverkaufsstellen in Villingen nahm eine gleich 2500 Tickets ab. Für den Spieltag selbst hielt der FC 08 noch ein Kontingent von 4000 Karten zurück. Im Hinblick auf den erwarteten Massenansturm wurde sogar auf dem Hartplatz im Friedengrund eine weitere Parkfläche frei geräumt. Denn im Januar 1970 lag viel Schnee, was die Organisatoren vor allem in Sachen Platzräumung vor eine riesige Herausforderung stellte. Doch eine Vielzahl von freiwilligen Helfern legte Hand an, befreite in einer beispiellosen Aktion die Stehränge von der weißen Pracht und versetzte den Platz in einen bespielbaren Zustand.
Am Spieltag, einem Sonntag, sorgten die knapp 15.149 Fans für ein restlos ausverkauftes Haus. Auf Schneehaufen, in den Bäumen, auf den Zugängen zur Tribüne, von überall her versuchten die Fußballfans eine günstige Sicht auf das schneebedeckte Spielfeld zu erhalten. Unermüdlich liefen auch die Kameras des ZDF. Auch der SWF mit Sportchef Rudi Michel war im Friedengrund. Noch am Sonntag wurde ein zwölfminütiger Beitrag in der ARD-Sportschau gesendet und bescherte dem beschaulichen Villingen Werbung in ganz Deutschland. Der Beitrag des ZDF war gar 20 Minuten lang.
Beim Spiel selbst wurden die übernervösen Nullachter bereits in der 7. Minute durch einen 35-Meter-Schuß von Hans Schulz kalt erwischt. Zwei Minuten später traf auf der anderen Seite Walter Hohnhausen nur die Latte. Wäre der Schuss des 08-Stürmers ins Netz gegangen, hätte es vielleicht eine andere Pokalpartie geben können. So spulten die abgeklärten HSV-Profis trotz des ungewohnten Schneebodens ihr Pensum hanseatisch kühl herunter. In der 19. Minute traf Uwe Seeler, von seinem ansonsten aufmerksamen Bewacher Jürgen Wohlgemuth einmal aus den Augen gelassen, den Pfosten. Als sich 08-Keeper Karl Armbrust in der 22. Minute von einem durch Klaus Zaczyk fast von der Eckfahne hoch herein getretenen Flankenball zum 0:2 überraschen ließ, war die Partie fast schon entschieden – erst recht nach dem 3:0 durch Franz-Josef Hönig (52.). Doch vier Minuten später erzielte FC 08-Torjäger Gerd Klier den 1:3-Anschlussstreffer – und plötzlich schienen die Villinger aufzutauen. Der Kampfgeist erwachte, die letzten Kraftreserven wurden mobilisiert und schon war auch das einheimische Publikum wieder lautstark mit dabei. Doch ungeachtet aller Bemühungen wollte der zweite Villinger Treffer, der den HSV vielleicht noch einmal nervös gemacht hätte, nicht fallen und am Ende unterlagen die Nullachter in diesem großen Spiel mit 1:3 Toren.
FC 08 Villingen: Armbrust, Schülke, Wohlgemuth, Nies, Adler, Perusic, Reich, Klier, Eisenhardt (ab 46. Schrodt), Hohnhausen, Kothmann – Trainer: Rudi Faßnacht
Hamburger SV: Özcan, Sandmann, Hellfritz, W. Schulz, Hof, Zaczyk, H. Schulz, Hönig, Dringelstein, Seeler, Dörfel – Trainer: Georg Knöpfle, der erkrankt ist, wird von Amateurtrainer Klaus Ochs vertreten.
Tore: 0:1 (8.) Schulz, 0:2 (23.) Zaczyk, 0:3 (52.) Hönig, 1:3 (56.) Klier.
Zuschauer: 15.149
Die Hamburger Presse zeigte sich überaus beeindruckt von den Nullachtern, wie man anschließend lesen konnte: „Plötzlich war nichts mehr von einem souveränen HSV zu sehen, nichts mehr von cleveren selbstbewussten Profis. Die Hamburger ,schwammen’ wie schon lange nicht mehr. Villingen machte Dampf, stürmte und schoss, was das Zeug hielt. Ich kann verstehen, dass man im Schwarzwald auf den FC 08 Villingen ,schwört’. Die 1:3-Niederlage konnte das Volksfest in Villingen nicht trüben.“
Den FC 08-Retro-Adventskalender gibt es täglich auf Facebook und einige Highlights auch hier auf der Homepage. Weitere Geschichten gibt es in der für 5 Euro erhältlichen Vereinschronik „Ein Leben in Schwarz Weiß“.
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